Eine partizipierte Vorfreude

Foto glosse Kunsthaus2Heute, zu spät für den dritten Besuch von Pipilotti und noch 10 Tage zu früh für Akram Zaatari, besuche ich das Kunsthaus Zürich, an einem schnöden Dienstagmittag im Mai.

Die Sonne scheint, die Lücke im Ausstellungskalender im Bewusstsein, flaniere ich zuerst um die stattliche Baugrube des Erweiterungsbaus. Bewundere die Idee mit den witterungsbeständigen Plakaten, die mit Ösen und Schrauben in die linksseitige Bauwand eingelassen sind. Gespannt betrachte ich die anderen zwei Wandreihen. So manche ungewollte Kunst berührt mich. Ein Stück weißes Leinen, das rot geschriebene Wort „Mensch“ und ein Riss. Nichts weiter.

Zwar konkurrieren die Bauwände nicht in ihrer saloppen „Art brut“ mit dem Kunsthaus, aber sie erfrischen. Um ein paar Beispiele zu nennen, eine Abrissbirne erschlägt die Bildung, das japanische Danke als hiesige Lautmalerei, das Matterhorn, Abrisszettel, eine sterile weiße Fläche, sorgfältig überpinselt, wechselt mit rohem Holz, dazwischen zarte Anmutungen von Baselitz und Munch.

Eine Freiluftgalerie für Jeden und von Jedem. Kunst am Bau, ich imaginiere Schulklassen an den Wänden, die ihre Eindrücke nach dem Besuch des Kunsthauses malen, alles würde mit Fotos dokumentiert. Nicht nur die Jüngsten, sondern jeder bekäme beim Eintritt ein Malset und dürfte sich dort für kurze Zeit verewigen. So könnte die lange Bauzeit zu einem fotografischen Gesamtkunstwerk verschmelzen, die Teilhabe der Zürcher und Besucher des Kunsthauses wäre dokumentiert. Eine partizipierte Vorfreude. Beschwingt von meinen Ideen überquere ich den Zebrastreifen und traue meinen Augen nicht: Meine Moore-Skulptur ist weg! Die Frau mit den beachtlichen Schenkeln und dem Loch im Herzen, die mich an frühere Chefinnen erinnert. Entführt, vom Sockel gerissen. Ich höre, dass sie nach Basel tingelte, ob sie wieder an den früheren Platz zurückkommt, sei ungewiss. Auf dem gemütlichen Sofa im Munch-Saal denke ich nach: Kunst als Prozess, nichts bleibt (dort) wie und wo es war. Lücken konstruktiv nützen. Botschaft angekommen und jetzt her mit den Pinseln!

 

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