„Der Tag wird langsam“ „ein fesselnder Roman“ schreibt der Landbote

KaMeRu Verlag, 2016
ISBN 978-3-906082-49-3

Gestern habe ich im Schatten in einer Hängematte liegend ihren Roman gelesen. Ihre berührende Geschichte hat mich derart gefesselt, dass ich das Werk „in einem Schnurz“ ( mundartlich für sehr schnell) gelesen habe, was sicher eine besondere Auszeichnung für Ihre Arbeit ist, denn ich bin ein recht anspruchsvoller Vielleser. Ernst Wohlwend, ehemaliger Stadtpräsident von Winterthur

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Luzide Verdunkelung. Sabine Meisels verblüffender Roman „Der Tag wird langsam“ von Burkhard Jahn Wieder eine Geschichte einer Ehe. Und doch keine Geschichte wie gewöhnlich, denn mit einer bemerkenswerten literarischen Versiertheit spricht Sabine Meisel mit der Stimme des Mannes, von dem wir zunächst Verblüffendes, dann Traumatisches in eigener Sache, immer aber eine anrührende Liebe zu seiner Frau erfahren. Letztere lernen wir kennen als burschikose Hautärztin, wenngleich ohne die nötige deformation professionelle, so dass sie mit Dankbarkeit die wenigen ernsten Fälle eines diagnostizierten Melanoms der Universitätsklinik überweist und sich ohne Murren dem täglichen Einerlei zwischen Pickeln, Pusteln und dermatologischen Pilzbefall widmet. Die Begleitung ins Sterben ist nicht ihre Sache. So wenig wie dieser sich den Wechseljahren nähernden Frau der Gedanke an eine Schwangerschaft (noch) nah ist. Hatten doch Offenkundigkeit wie Diagnose eine grundsätzliche Unfruchtbarkeit bescheinigt.Aber die Schwangerschaft kommt. Und mir ihr die Krise.Dass zunächst im Roman gängigen Klischees entgegengeschrieben wird in Bezug auf vermeintlich geschlechtsspezifische Marotten, ist so listige wie amüsante Arabeske. ER faltet Origami, sie liebt Fussball, er putzt mit Akkuratesse jedem Staubkorn hinterher, sie planscht, spritzt und verschmiert Zahnpasta im Badezimmer wie ein Gassenjunge. Sabine Meisel läßt ihren Ich-Erzähler jedem Kapitel einen klassischen japanischen Haiku voranstellen, wie sie ihrem Ich-Erzähler gestattet, die Umwelt als Dichter – und das heißt nicht weniger als mit dem weiblichen Teil seiner Seele – wahrzunehmen.Und während im Körper der Frau der Embryo wächst, lebt als Untoter in der Seele des Mannes das Trauma einer schrecklichen Kindheit.
Er ist Architekt, sie Arztin. Man könnte sagen: er baut auf, sie heilt. Doch in ihr wächst Hoffnung (der Embryo), in ihm quält das untote Gespenst eines Jugendtraumas, das ihn zur kreatürlichen Furcht, nicht und nie wirklich geliebt zu werden, veranlasst. Die musikalische Engfährung nun dieser beiden Stimmen – Trauma und Gravidität – macht die frappierende Qualität und dazu die spannende wie unterhaltsame Lesbarkeit dieses Buches aus. Die Eintrübungen im Miteinaner des anfangs so perfekt harmonierenden Ehepaars werden mit staunenswerter seismographischer Genauigkeit in einer wie leichthin erzählenden Sprache gehalten, die gleichwohl auf unaufdringliche Weise auch poetisch ist. Nähe, Entfremdung und neue Annäherung zeichnen einen Umgang der Geschlechter miteinander, der wünschenswert und dabei sogar nicht unwahr-scheinlich ist. Und doch wird dabei jeder didaktische wie bemüht genderkorrekte Zeigefinger vermieden.

Man (Pardon: frau) ist bei Menschen, nicht bei Dogmen. Sabine Meisel beobachtet genau, nimmt einen ungewöhnlich aufmerksamen Anteil an Petitessen der sie umgebenden Natur, sie kennt noch den mit ,Neuntöter‘ so präzise wie wenig liebevoll benannten Vogel, beobachtet ganz nebenbei das Verhalten der Wespen, so wie ihre Sinne den Geruch des Asphalts bei einsetzendem Regen aufmerksam und liebevoll registrieren. Zwei Schauplätze seien genannt: Winterthur – und es brauchte eine aus Deutschland stammende Autorin, die Lebensqualität und Schönheit der in der Schweiz so wenig emphatisch ästhemierten Stadt zu benennen – und Malaga, wo dann der Leser nicht weniger gern ist. „Der Tag wird langsam“ ist ein bemerkenswerter Debütroman. Der Schluss sei nicht verraten. Nur so viel: am Ende ist Hoffnung.© © Alle Rechte bei Burkhard Jahn

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Sabine Meisel erzählt die Geschichte von einem Paar mitten im Leben, von einem Anfang und einem Ende, die zu schnell auf einander folgen. Sie beobachtet den Alltag zweier Menschen, eines Architekten und einer Ärztin, die unerwartet ein Kind bekommen und wieder verlieren. Die Kapitel sind mit Haikus von Masaoka Shiki überschrieben, und so findet der Text seinen Ton, einen Ton der Knappheit, der Sensiblität, der Präzision, der Melancholie. Sabine Meisel denkt in Bildern, wie es der Architekt Raphael als Ich-Erzähler auch bei seiner Xenia erlebt, wie die Haikus. Mitten in einer wohl situierten Stadt in der Schweiz leben beide ohne rechten Plan, man hat den Eindruck, sie sind nicht so richtig geerdet, als ihr Leben durch die Schwangerschaft einen eigentlich ganz alltäglichen, aber dennoch für die beiden dramatischen Fokus erhält. In immer wieder auftauchenden, in das aktuelle Geschehen eingeschobenen Rückerinnerungen an Episoden aus Raphaels Kindheit, die von Krankheit und Lieblosigkeit geprägt sind, erkennen wir die Fragilität seines routinierten Alltags. Er zeigt viel feminine Empfindsamkeit, wir lesen von der Reflexion seiner Gefühle, zu sich selbst und zu seiner Xenia – ein wenig merkwürdig für den männlichen Leser: Sabine Meisel hat die Geschlechtsstereotypen vertauscht. Die inneren und ausgesprochenen Dialoge sind kurz, unaufgeregt und mit einfachen Worten treffsicher. Immer mehr nimmt die Geschichte Kraft auf, bis zum dramatischen Ende. Sabine Meisel findet einfache, genaue Sätze über den Ablauf der Tage des Paares, ihre örtlichen und psychischen Räume und Bewegungen. Nichts ist unwichtig, alles trägt die Erzählung voran, manches schlicht Erscheinende gewinnt poetische Tiefe. Aus ihrer eigenen Erfahrung n einem Heilberuf (als Krankenschwester) geht sie oft auch in schwierige medizinische Details, ohne Scheu, beschreibt sie aus einer faszinierenden Mischung aus Mitgefühl und Distanz. So nimmt sie uns mit in eine entscheidende Phase zweier Leben, die unsere Nachbarn sein könnten, mit dem besonderen Blick einer japanisch geneigten Perspektive. Dr. Winfried Effelsberg

Ein wunderbares Buch. Einfühlsam, nachfühlbar und mit – wie ich finde – ganz viel Liebe zu den Personen. Ich war sehr gepackt und angefasst. Anne Winckler

„Sabine Meisel nimmt mich mit in eine traurige Welt des Unbekannten: In eine Dunkelheit der Jugend, die ich gottseidank so nie erleben musste. Tägliche Lieblosigkeiten, familiäres und schulisches Mobbing und Unverständnis prägen den sensiblen Charakter des Protagonisten. Wie stark sein fehlendes Urvertrauen, eine tiefen Schuldgefühle, seine Selbstzweifel und seine Ängste vor dem Leben das aktuelle Sein beeinflussen, kann kaum treffender dargestellt werden. Emotional beschriebene Rückblicke in die Kindheit machen die massiven Partnerschaftsprobleme für den Leser verständlich und nachvollziehbar. Hautnah erlebt man mit, wie die „ernüchternde Sprachlosigkeit“ eine tiefe Kerbe in eine einstmals freudvolle Beziehung schlägt. Zweifelsfrei ein Abbild morbider Zweisamkeit am Abgrund.“ Hans Dorrhauer Hamburg

Ich habe es sehr gerne gelesen, es ist dicht und berührend. Nur Raphaels Kindheit ist schon sehr düster gezeichnet – ich hätte ihm wenigstens eine verständnis- und liebevolle Person in seiner Umgebung gewünscht, sei es eine Nachbarin, Grossmutter oder Lehrerin. Das Buch ist in sich aber stimmig, die Sprache bildhaft und stark. Auch die Idee mit den Haikus am Beginn jedes Kapitels gefällt mir – sie geben Zeit zum Durchatmen. Marianne Bender

Die ausführlichen Beschreibungen, Ansichten und Emotionen im Verlauf eines ganz alltäglichen Beziehungsdaseins aus der Sicht eines Mannes waren für mich schon ungewöhnlich. Es sind akribische bis ins Detail gehende Betrachtungen, die ja auch einer stark ausgeprägten Wahrnehmungsfähigkeit bedürfen. Oft musste ich beim Lesen innehalten, um meiner eigenen Interpretation Raum geben zu können. Die ganz normalen Dinge des Alltags sind es, die uns zum Denken herausfordern. Das ist der Autorin auf herausragende Weise und mit reichem Wortschatz bei diesem Roman gelungen, ähnlich wie bei Joseph Beuys, der bei seinen Werken den Betrachter zu einem eigenen Denkprozess auffordert.  Renate Bömkes

Anfangs tat ich mir schwer – was sollten mir die Banalitäten eines Alltags? Bis mir klar wurde, dass diese erzählerisch den schwankenden Boden vorbereiten, auf dem sich biografisch (beim Ich) und dramaturgisch die Spannungen einer elementaren Verstörung auftun. Sodass eine, auch durch die Sprache klug gesteigerte Spannung entsteht.Höchst innovativ auch die verdoppelten Projektionen einer erkennbar allo-biografischen Konstruktion eines männlichen Ich durch die Autorin, die in dieser Projektion sich sphinxhaft mystifizieren kann. Allenfalls schade fand ich, dass der experimentelle Aufbau durch die Verdeutlichung der Erzählebenen per kursiv-Schrift etwas vereinfacht wurde: ich als Leser hätte mich gerne eingelassen, wie Vergangenes, das nicht vergangen ist, in das Gegenwärtige spielt und ununterscheidbar vorhanden ist. Auch war mir die Versöhnung des Schlusses überflüssig: ich hätte mir lieber die verschiedenen Ausgänge offen gelassen.Aber: ein gutes und mutiges Buch! Dr. Ulrich Meckler