Zuversicht am 3.11.16

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Zuversicht

Bunte Blätter fallen, der Nebel kriecht in Krägen und zwingt uns die Schultern zusammen zu ziehen. Wir stechen uns an den Grabgestecken die Finger wund und gedenken. Sprachforscher betonen, wie wir über Sprache unsere Stimmung beeinflussen können.

„Nicht fröhlich“, klingt für unser Hirn positiver und wirkt sich besser aus als „traurig“. Genauso hilft es die Laune zu steigern, wenn man lächelt, was bei dunklen Tagen nicht leicht fällt.

Im August bin ich Vollwaise geworden. Mein Vater erzählte gerne Fremden gegenüber Geschichten mit Augenzwinkern: „Ich bin Vollwaise“, behauptete er. Wenn er die bestürzte Mimik der Zuhörer sah, lachte er: „aber erst als Opa“.

Mit 67 Jahren bekam er Darmkrebs und hatte schon eine Lebermetastase. Deshalb bekam er einen künstlichen Darmausgang und Urinkatheter. „Für mich könnten sie alle Toiletten der Welt zumauern“. Er betrachtete seine Einschränkung als Unabhängigkeit. „Meinen Krebs haben sie weggeschnitten, ich bin gesund“. Nur einmal im Jahr ging er zur Kontrolle des Tumormarkers. Erst mit 86 starb er, in seinem eigenen Bett, daheim. Mutter wollte lieber bei ihm als bei uns Lebenden sein, nur logisch nach 68 Jahren als Liebespaar. Und ich spüre, wie gut es mir tut, an sie zu denken. Mit einem Lächeln, weil wir sie lange hatten, nicht mit dem Gefühl des Verlustes. Zuversicht, ein Wort, das lächelt. Vielleicht lächeln Sie mit.

Ihre Sabine Meisel

 

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